"Sei du selbst!"
Das ist eine Aufforderung, die uns dieser Tage häufiger als je zuvor begegnet.
Denn sie kommt auf Spruchbildchen, in Texten und Videos über Selbsthilfe, Selbstentwicklung und Selbstheilung sowie im Studium spiritueller Konzepte in unser Feld, um uns daran zu erinnern, dass der Weg in das erfüllte, glückliche Leben, das so viele sich wünschen, unter anderem über etwas zu erreichen ist, was in der deutschen Sprache seit der Mitte des 18. Jahrhunderts als "Authentizität" verstanden wird.
Doch was bedeutet das genau, wie schaffe ich das und ist das denn wirklich immer und in jeder Situation machbar oder klug? Und geht es überhaupt um das Sein? (...)
Die Herausbildung einer Identität ist Teil des Menschseins. Sie hilft uns, uns durch unser Leben zu navigieren und Verbundenheit zu erfahren.
Sie ist nicht zu verwechseln mit der Identifikation, doch das, womit wir uns identifizieren, offenbart uns Wissenswertes, das wir nutzen können, um ein starkes und echtes Gefühl für unser Selbst zu entwickeln.
Arbeiten wir bewusst mit ihnen und integrieren die Informationen, zu denen sie uns Zugang verschaffen, lässt sich die Frage nach dem Selbst schon etwas konkreter beantworten. Das bedeutet:
Anstatt mich zu fragen, wer ich spirituell betrachtet bin, frage ich mich, wer ich in jedem individuellen Moment bin, in dem ich mir selbst begegne.
Wer bin ich in meiner menschlichen Form?
Wer bin ich in dieser und jener Situation?
Wer bin ich in der Beziehung zu meinem Partner, meiner Mutter, meinem Kind, meiner Freundin?
Wer bin ich in Anbetracht bestimmter Konsequenzen?
Wer bin ich mit diesem Gedanken, der mich verunsichert, während ich mich bemühe eine Entscheidung zu treffen?
Wer bin ich in dem Bemühen meine Emotionen zu würdigen, meine Grenzen zu kommunizieren oder meine Wahrheit zu sprechen?
Wer bin ich in dem Gefühl von Einsamkeit und wer bin ich in dem Gefühl tiefer Verbundenheit?
Wie verhalte ich mich im jeweiligen Kontext? Was tue ich?
Die Antworten geben mir meine Gedanken, Gefühle, Emotionen und mein Körper, die mich erahnen lassen, dass ich viele bin - je nach Beziehung und Situation kann sich eine andere Seite, ein anderer Aspekt bzw. Anteil von mir offenbaren.
Mein Körper, der Verstand, Emotionen, das Herz - das alles sind Wegschilder, die mich in meinen Kern führen, wenn ich ihre Botschaften wahrnehme, fühle, erforsche und ihnen in die tief liegenden, verborgenen Bereiche meines Seins folge. (...)
Die Beziehung, auf die es ankommt, wenn ich möglichst authentisch leben will, ist die zu mir selbst, weil sie die Basis ist, auf der ich aufbaue und ihre Qualität darüber entscheidet, ob und wie ich Authentizität leben kann.
Es kommt darauf an, wie ich mich selbst wahrnehme und ob ich ehrlich mit mir bin. Es geht gar nicht um das, was nach außen sichtbar ist, wie ich mich letztlich verhalte und ob das von anderen als authentisch wahrgenommen und eingeordnet, also bewertet wird.
Sondern darum, ob ich weiß, warum ich mich gerade auf eine bestimmte Weise verhalte und ob ich das bewusst und selbstbestimmt entschieden habe. (...)
Nathalie Rydell
Aus:
"Sei du selbst" - Warum das einfacher gesagt als getan ist