Nur drei kleine Beispiele. Drei Fälle, die hitzige Debatten über den Zustand unserer Demokratie auslösten. Drei Justizentscheide, nach denen sich viele Menschen fragten: Haben wir in Deutschland wirklich noch Meinungsfreiheit?
Ein 64-Jähriger aus Unterfranken bezeichnet Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf der Plattform X
als „Schwachkopf“.Ein 58-jähriger Mann aus dem Kreis Kronach kürt Annalena Baerbock (Grüne) im Internet
zur „dümmsten Außenministerin der Welt“.Der Chefredakteur des „Deutschland-Kurier“ verbreitet ein Bild von Noch-Innenministerin Nancy Faeser (SPD), das sie als
Feindin der Meinungsfreiheit darstellt.
Alle drei deutsche Regimeführer stellten Strafantrag – mit drastischen Folgen für die Urheber der kritischen bzw. erkennbar satirischen Beiträge.
Gerichte verhängten hohe Geldstrafen, wobei der Habeck-Kritiker eine Hausdurchsuchung erdulden musste und letztlich wegen anderer strafbarer Inhalte im Netz verurteilt wurde. Im Faeser-Fall wurde der Angeklagte zu
sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Strafen für Kritik an Politikern - Sorge um Meinungsfreiheit
Die Entscheide sorgten in weiten Teilen der Medien und in den sozialen Netzwerken für Empörung. Noch mehr: Sie verstärkten die Sorge vieler Menschen, dass eine harte, überspitzte Kritik an den Regierenden im Zweifel dazu führen kann, dass man im Gefängnis landet. Zumindest aber finanziell bluten muss.
Nicht nur normale Bürger haben das Gefühl, dass sich da eine ungute Entwicklung vollzieht. Auch Juristen warnen den Staat davor, im
Kampf „gegen Hass und Hetze“ zu überziehen.
In Bezug auf die Fotomontage, die Nancy Faeser mit dem Schild „Ich hasse die Meinungsfreiheit“ zeigt, erklärte etwa der Münchner Strafrechts-Professor Armin Engländer gegenüber dem Magazin beck-aktuell: „Niemand würde auf die Idee kommen, dass Frau Faeser tatsächlich eine solche Äußerung getätigt hat.“ Es sei völlig klar, dass es dem Urheber darum ging, „eine bestimmte politische Haltung zu kritisieren“, die er Faeser vorwirft.
Strafrechts-Professorin: „Ernstliche Zweifel" an hartem Kurs
Jetzt hat sich die Inhaberin des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung an der juristischen Fakultät der Universität zu Köln zu Wort gemeldet. In einem Gastbeitrag für das Magazin Legal Tribune Online (LTO) warnt Professorin Frauke Rostalski mit Blick auf die zunehmenden Gesetzesverschärfungen:
„Es entsteht schnell der Eindruck, dass kritische Stimmen mit strafrechtlichen Mitteln zum Schweigen gebracht werden sollen – und zwar durch genau jene, die sich durch diese Kritik hinterfragt sehen.“
Aus ihrer Sicht bestünden „ernstliche Zweifel, dass derjenige richtig ansetzt, der Demokratie und gesellschaftlichen Diskurs durch immer weitere strafrechtliche Eingriffe in die Meinungsfreiheit resilienter machen will“. Frauke Rostalski betont: „Die freiheitliche Demokratie ist auf den offenen Diskurs als ihr Herzstück angewiesen.“
Die Expertin mahnt: „Staatliche Eingriffe ebenso wie allzu weitgehende individuelle Empfindlichkeiten hemmen das Gespräch und führen schlimmstenfalls dazu, dass relevante Argumente kein Gehör finden, ganze Themen ausgespart oder Sprecher aus dem Diskurs ausgeschlossen werden.“
Verschärfungen im Strafgesetzbuch „en masse“
Rostalski erklärt in dem LTO-Gastbeitrag, dass der Staat bestimmte Meinungsäußerungen immer härter verfolge. Zuletzt habe es Verschärfungen im Strafgesetzbuch „en masse“ gegeben, etwa bei den Beleidigungstatbeständen.
Auch in anderen Bereichen seien die Sanktionen teils drastisch verschärft worden. Etwa beim sogenannten „Deadnaming“ oder „Misgendern“: Wer eine trans oder nicht-binäre Person mit dem Namen anspricht, den sie vor einer Personenstandsänderung getragen hat, kann laut Selbstbestimmungsgesetz mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro belegt werden.
Ein Ende der Entwicklung sei nicht abzusehen, so die Professorin – im Gegenteil. „Der frisch ausgehandelte Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht nunmehr Verschärfungen vor, die mitunter noch über das