" ... sozialpolitischen Maßnahmen internationale Popularität erlangt hat, und Noam Chomsky, einer der führenden US-amerikanischen Intellektuellen.
Roberto De Lapuente hat mit ihm gesprochen.
»Wir brauchen Politiker, die sich dafür einsetzen, dass sich die Menschen selbst regieren«
De Lapuente: Chomsky und Mujica glauben beide an die Macht der Bevölkerungen. Im Alltag hat man aber zunehmend das Gefühl, dass alles dafür getan wird, dass die Bevölkerung keinen Willen mehr hat, um Macht durchzusetzen. Gehen Sie mit den beiden konform in dieser Frage?
Alvídrez: Ja, ich stimme ihnen voll und ganz zu, dass die Krise der Demokratie schlimm ist und sich mit der fortschreitenden technologischen Revolution und der Nachlässigkeit unserer Staats- und Regierungschefs höchstwahrscheinlich nur noch verschlimmern wird. Die Massenkontrollfähigkeiten, die sich die Eliten jetzt aneignen, sind in der Geschichte beispiellos, doch eines bleibt unverändert: Wie Pepe sagt: »Die Maschinen werden für den Besitzer der Maschinen arbeiten.« Obwohl alle Welt von Demokratie spricht, ist es keine Demokratie, alle vier oder sechs Jahre für jemanden zu stimmen, der dann behauptet, alles andere sei undemokratisch. Das ist einfach nur dummes Denken. Ohne eine kurzfristige Revolution werden wir gezwungen sein, diese Lektion auf die harte Tour zu lernen. Denn die Idee der »repräsentativen Demokratie« ist ein schönes Märchen, aber das einzige mögliche Ergebnis ist der Zusammenbruch der Zivilisation in den kommenden Jahren, weil die Plutokratie, die sie verbirgt, auf diesem Planeten nicht tragbar ist; die zunehmende nukleare und ökologische Todesdrohung ist nur eine Manifestation davon. Das wahre Krebsgeschwür unserer Spezies ist die Herrschaft – des Menschen über den Menschen und als Erweiterung des Menschen über die Natur – und ich glaube, wir befinden uns im vierten Stadium dieses Krebses; dies ist das Endstadium. Der einzig gangbare Weg nach vorne ist die schrittweise Übertragung der Entscheidungsgewalt auf das Volk, echte Demokratie; etwas, das den Parteien der Mitte und der linken Mitte wie den Sozialdemokraten fremd ist, da dieser Geist nur an Orten wie Rojava (Syrien) mit der kurdischen Revolution oder in Chiapas (Mexiko) mit der EZLN zu gedeihen scheint. Und dieser Prozess verschiebt nicht nur die Autorität, sondern schafft auch eine neue Art von Bürger – einen Bürger mit dem für das Überleben notwendigen gesunden Menschenverstand – anstelle einer Gesellschaft, die von den rücksichtslosen und nicht nachhaltigen Eigeninteressen einer Handvoll Oligarchen und Politiker diktiert wird.
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Ich glaube, dass die Zukunft der Menschheit in den nächsten zwei Jahrzehnten entschieden wird, und es gibt zwei mögliche Wege: einen rechtsextremen digitalen Autoritarismus, der uns unweigerlich zum Zusammenbruch der Zivilisation führen würde, oder die Radikalisierung der Demokratie durch linke Kräfte mit einem erneuerten Paradigma, das die fortschreitende Dezentralisierung der Macht und die direkte Beteiligung des Volkes an den Entscheidungen, die den Verlauf ihres Lebens prägen, anstrebt. Diese Linke des 21. Jahrhunderts muss erst noch erfunden werden und wird nicht von traditionellen Führern oder politischen Parteien kommen."